Manche Bands schaffen es im Laufe ihrer Karriere, sich einen Status aufzubauen, der wie ein physikalisches Gesetz gelten kann. So wie es klar ist, dass heiße Luft nach oben steigt, war es über die letzten sechs Alben relativ logisch oder erkennbar, dass While She Sleeps einfach keine schlechten Longplayer produzieren. Die Entscheidung, 2019 ihr eigenes Label zu gründen, hat diesem Gesetz nicht geschadet, sondern vielmehr verstärkt, wie kreativ und vielseitig eine Band sein kann, wenn sie einfach sie selbst ist. Über die letzten 18 Jahre haben es While She Sleeps tatsächlich geschafft, sich einen ranghohen Platz in der Szene zu sichern.
Als letztes Jahr dann der Song „Self Hell“ zusammen mit der Bekanntgabe eines gleichnamigen Albums für 2024 herauskam, gab es natürlich allen Grund zur Euphorie. Die Formation aus South Yorkshire schaffte es doch tatsächlich wieder einmal, sich auf der ersten Single ein wenig neu zu erfinden, ohne dabei die Erfolgsformel der Band zu vernachlässigen: brachiale und zugleich tanzbare Parts mit absolutem Live-Potenzial, gepaart mit den teils rohen Vocals von Frontmann Lawrence Taylor. Als Fan könnte man sagen, dass spätestens seit der Zusammenarbeit mit Bring Me The Horizon die Band ihren Weg und Stil gefunden hat – passt also!
Doch das neueste Werk von While She Sleeps setzt in Sachen Vielfalt nochmal einen drauf, und wir wagen zu behaupten, dass wir uns nicht sicher sind, ob dies „too much“ oder „genau richtig“ ist. Aber allein die Tatsache, dass es Raum für Diskussionen gibt, wirkt eher schwierig.
Dabei fängt alles ziemlich gut an – ein atmosphärisches Intro liefert uns die Brücke zu klassischen Bangern wie „Rainbow“ oder „Leave Me Alone“, die sich ohne Probleme in einem Best-Of der Diskographie einreihen könnten. Man könnte sagen, dass die erste Hälfte der Platte durchaus zu den stärkeren Werken der Band zählen kann. Und dann geht es los – bereits der voll instrumentale Track „No Feeling Is Final“ wirkt irgendwie unpassend, hat fast schon Shuffle-Qualitäten und fügt sich auch danach eher ungünstig in die Tracklist des Albums ein.
Umso bunter wird die musikalische Achterbahn, wenn kurz darauf beim Song „Down“ eine fast ikonische NuMetal-Hymne verborgen ist, bei der selbst Limp Bizkit wie Altmetall wirken. Hier sticht es wieder heraus, das Überraschungsmoment à la While She Sleeps. Und dann? Wir würden am liebsten an dieser Stelle einfach einen Strich ziehen und uns darüber beschweren, dass das Album etwas mehr Spiellänge vertragen hätte. Doch leider folgen ziemlich grob zusammengefasst vier weitere Tracks, die in ihrer Gesamtlänge leider ziemlich irrelevant und unsichtbar im Vergleich zum ersten Teil der Platte sind. Ja, bis auf den finalen Track „Radical Hatred Radical Love“ bleibt selbst nach dem dritten Durchgang eigentlich nichts Positives hängen. Ein weiterer instrumentaler Track und zwei Songs, die sich eher wie verpflichtende Füller anfühlen, bringen bei eingefleischten Fans sicherlich den Drang hervor, einfach den Skip-Button zu drücken.
Doch trotz dieser Kritik zum Ende ist „Self Hell“ absolut kein schlechtes Album. Klar hätte man bei 12 Songs sich einen der zwei instrumentalen Tracks sparen und die Experimentierfreudigkeit in eher seltsamen Parts, die fast nach Nintendo-Core klingen, gerne in Zaum halten können. Doch eigentlich zeigen uns While She Sleeps hier nur das Produkt ihrer Karriere, für das die Band schon seit vielen Jahren steht: künstlerische Freiheit in ihrem eigenen Sein, das sich ohne Genre-Grenzen einfach zu einem Ganzen entwickelt. Daher ziehen wir unseren Hut vor dem Mut, sich weiterhin nicht in musikalische Ecken treiben zu lassen.