Blumen, Pastellfarben und ein Piano – das alles sind Kernelemente des neuen Casper Albums. Ja genau, der Casper, der vor 5 Jahren noch den Tod besang, hat jetzt seinen Weg zurück ins Leben gefunden. Am 25.02.2022 veröffentlicht Benjamin Griffey sein fünftes Album mit dem optimistischen Titel „Alles War Schön Und Nichts Tat Weh“.

Ein Albumtitel den man von dem sonst so liebevoll geschimpften Emo Rapper wohl nicht erwartet hätte. Und uns erwartet tatsächlich ein Album gespickt mit Optimismus und Euphorie, ohne dabei die negativen Seiten auszulassen – eine Hommage an das Leben mit all seinen Facetten. Das wird schon beim Titeltrack „Alles War Schön Und Nichts Tat Weh“ klar. „Ich hab heute wieder dran gedacht, dass ich mir zu viel Gedanken mach“ klingt es nach dem von seichten Streichern und Piano gespicktem Intro. Auch das zugehörige Musikvideo auf einer pompösen Blumeninsel mitten im Meer untermalt den Sound. Friedlich und vorsichtig optimistisch schaut Casper voraus.

In „Lass es Rosen für mich regnen“ begrüßt uns dann ein ekstatisch schreiender Vincent Waizenegger (Provinz). Auch sonst: anschreien lassen muss man sich auf der Platte häufiger. Die Songs drängen nach vorne, spucken Gefühle in alle Himmelsrichtungen, ruhige Seiten findet man eher selten. Eine von diesen 180° Wendungen bietet der Song ironischerweise dann zum Ende selbst, wenn Lena ihn, nur begleitet von einer Pianomelodie, beendet. „Lass es Rosen für mich regnen“ ist im besten Sinne eine Hommage von Casper an sich selbst. Als Wahl-Bielefelderin reißt mich der Song aber schon aus Prinzip mit und wenn demnächst mal eine Unterschriftenaktion zur Umbenennung einer Straße in der Altstadt laufen sollte, bin ich auf jeden Fall ganz vorne mit dabei.

Musikalisch wurde auf „Alles War Schön Und Nichts Tat Weh“ alles rausgeholt: brachiale Bässe und Synths die nur darauf warten uns live das Herz aus dem Takt springen zu lassen. Ob dies nun auf „Mieses Leben/ Wolken“ feat. Haiyti ist oder bei „Billie Jo“ ist. Apropos „Billie Jo“: hier wird das Herz nicht nur vom Bass aus dem Takt gebracht, sondern vom Text direkt komplett zerrissen. Die Geschichte von Caspers Cousine, deren Mann als Kriegsveteran nicht zurück ins Leben fand und anschließend seine Familie ermordete, lässt einen sprachlos und wütend. Die zentrale Frage des Songs bleibt offen: „Wann ist ein Haus ein Heim?“.

Doch nicht nur Bässe und Synths machen das Album zu dem was es ist, vor allem die vielen Features sorgen für Abwechslung. Fünf der Zwölf Tracks erhalten Unterstützung von anderen Größen der deutschen Musikszene, unter anderem „TNT“, das gemeinsam mit Tua entstand.

Zurück zu „XOXO“

Schon vor Veröffentlichung sind „Zwiebel und Mett“ und „Das bisschen Regen“ die für Fans wohl spannendsten Songs, schließlich heißen sie verheißungsvoll „die Vergessenen Part 3 und 4“. Leider haben sie aber recht wenig mit den bombastischen Album Openern von „XOXO“ zu tun. „Zwiebel und Mett“ behandelt den Rechtsruck der Gesellschaft, „Das bisschen Regen“ dann den Klimawandel. Textlich sehen wir, dass sich die Probleme des XOXO Caspers gewandelt haben und präsentieren, 10 Jahre nach den Vorgängern, eine erwachsenere Sicht auf neue, gesellschaftliche Probleme.

Ein Song der meiner Meinung nach aber eher als Fortsetzung von „XOXO“ durchgehen könnte, ist „Gib Mir Gefahr“. Gemeinsam mit Kummer wird unsere Gefühlswelt in Bezug auf Festivals, Partys und Konzerte in 3:24min eingefangen: wer würde gerade nicht auch gerne mal wieder ohne Sorgen in einen Moshpit springen, inmitten von 10.000 Menschen auf einem Festival stehen und das ein oder andere Bier zu viel trinken. Nach vorne preschend reißt der Song direkt mit und ist mein unangefochtenes Highlight der Platte, vermutlich sogar jetzt schon einer der besten Songs des Jahres.

Und während man nach dem Kummer Feature noch drauf und dran ist in den nächsten Moshpit zu springen, steht man beim Feature von Teute, aka Beatsteaks Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß, plötzlich ratlos im offenen Kreis und wartet auf den richtigen Moment zum Losspringen, der aber leider ausbleibt. Musikalisch hätte der Song 1a auf „Lang Lebe Der Tod“ gepasst, erschüttert er doch mit einer massiven Synthie Gewalt, aber auf diesem Album wirkt er unausgereift. Auch sonst wirkt das Album an einigen Stellen einfach nicht ganz rund.

Beendet wird die Reise dann mit „Fabian“ – die Erzählung über die Leukämie Erkrankung eines Freundes. Wie es sich für ein Album mit dem Titel „Alles War Schön Und Nichts Tat Weh“ aber gehört, bekommen wir zum Glück ein Happy End. Mit den Worten „stärker als der Tod“ beenden wir den mit über 7 Minuten längsten Casper Song aller Zeiten und auch das Album.

Fazit

Casper revolutioniert den Deutschrap mit „Alles War Schön Und Nichts Tat Weh“ keinesfalls, eher ist es eine Weiterentwicklung seiner Vorgänger. Musikalisch hält er sich auch genau zwischen „Lang Lebe Der Tod“ und „XOXO“ auf und findet die Balance zwischen beiden, jedoch findet man leider wenig neues. Fast schon passend zur Hommage an das Leben, wirken einige Songs nicht ganz ausgereift, eben so wie das Leben manchmal auch ist. Casper findet den Weg vom Stacheldraht weg und geht auf Blumenfelder um das Leben besingen, zurück zur ganz schön okay’en letzten Gang der Stadt. Lang lebe der Tod wurde zu Lang lebe das Leben.

Vorbestellen könnt ihr das Album hier.

Tracklist
1. ALLES WAR SCHÖN UND NICHTS TAT WEH
2. LASS ES ROSEN FÜR MICH REGNEN (feat. Provinz & Lena)
3. TNT feat. TUA
4. BILLIE JO (PRELUDE)
5. BILLIE JO
6. ZWIEBEL & METT (Die Vergessenen Pt.3)
7. DAS BISSCHEN REGEN (Die Vergessenen Pt.4)
8. WO WARST DU
9. MIESES LEBEN/ WOLKEN feat. Haiyti
10. GIB MIR GEFAHR feat. KUMMER
11. EUPHORIA feat. Teute
12. FABIAN

Fotocredit: Chris Schwarz

Nicola
Nicola

Die Indie-Ansprechpartnerin eures Vertrauens, häufiger auf Konzerten als in der Uni zu finden, besteht zu 90% aus Tee, meistens mit Kopfhörern in den Ohren, professionelle 1. Reihe Sprinterin.

8.3

Sound

8.5/10

Konzept

7.5/10

Hörspaß

8.0/10

Atmosphäre

9.0/10