Der erste Festivaltag von Rock am Ring 2025 hatte es direkt in sich – und das bereits vor dem ersten Ton. Denn rund um die drei Slots der Very Special Guests auf der Utopia Stage wurde im Vorfeld monatelang spekuliert. Hinweise aus dem Umfeld des Festivals, dass es sich nur um Künstler mit vollem Showprogramm und abendlichen Spielzeiten handeln könne, heizten die Gerüchteküche zusätzlich an. Vor Ort war die Spannung deutlich zu spüren. Immer wieder tauchten neue Hinweise auf, wer sich wohl hinter den geheimnisvollen «Very Special Guest»-Slots verbergen würde. In Foren, auf Social Media und selbst auf dem Festivalgelände wurde spekuliert, gemutmaßt und gewünscht: Die Toten Hosen? Die Ärzte? Die Donots oder Kraftklub? Oder doch ein gemeinsamer Auftritt aller? Vielleicht sogar die große Rückkehr von Linkin Park in neuer Besetzung oder Metallica??
Von Metalcore bis Italo-Schlager: Überraschungen auf der Utopia Stage
Und dann wurde es langsam klar: Die einen erkannten es an der Pyrotechnik, andere an dem nicht verdeckten Logo auf den Drums: Es war Electric Callboy. Als erster Very Special Guest des Wochenendes eröffneten sie mit voller Wucht das Festivalprogramm auf der Hauptbühne und verwandelten das Infield binnen Minuten in eine einzige tanzende und feiernde Masse.
Mit ihrer Mischung aus Metalcore, Eurodance, Ironie und Eskalation lieferten sie eine Show, die das Publikum nicht nur zum Springen, sondern auch zum Schmunzeln brachte. So viel wie bei diesem Konzert war noch nie bei der ersten Band des Festivals los. Von der ersten Sekunde an gaben sie alles und sorgten für einen kollektiven Ausraster.
Der zweite Very Special Guest war hingegen eine komplette Überraschung, die wohl keiner auf dem Schirm hatte: Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys. Die Menge war geteilter Meinung: Einige waren sichtlich enttäuscht, hätten sich vermutlich einen „größeren Banger“ hinter diesem besonderen Coup gewünscht und verließen daher bereits kurz nach Beginn das Infield vor der Utopia Stage.
Das verbleibende Publikum aber feierte Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys mit überraschend großer Hingabe. Zwischen glitzernden Discokugeln, Italo-Schlagerseligkeit und selbstironischem Pomp entwickelte sich eine ungewöhnlich ausgelassene Stimmung – abseits von Breakdown-Gewittern und Moshpit-Dauerbetrieb.
Gerade dieser Stilbruch machte den Auftritt für viele zu einem unterhaltsamen Zwischenspiel im Festivalrhythmus: beschwingt, schräg und tanzbar. Wer offen für musikalische Abwege war, bekam eine Bühnenshow voller Pathos, Humor und mediterraner Pop-Nostalgie serviert – inklusive bester Laune und Sonnenbrillen-Momenten.
Der dritte Suprise Act wurde bereits vor einigen Wochen bekannt gegeben, aber spätestens als Knocked Loose die Bühne betragt war klar: Die Jungs liefern ab. Was folgte, war ein kompromissloses Hardcore-Brett, das vom ersten Ton an alles niederwalzte. Druckvoll, aggressiv, intensiv – die Band brachte das Infield zum Kochen. Frontmann Bryan Garris schrie sich durch ein energiegeladenes Set voller Breakdown-Gewitter und düsterer Dynamik, während im Publikum Circle Pits und Walls of Death für einen der körperlichsten Festivalmomente des Tages sorgten.
Energiegeladene Eskalation auf allen Bühnen: Hardcore, Pop und Erinnerungen
Am Nachmittag sorgte Tulpe auf der kleineren Atmos Stage für ein echtes Festival-Highlight. Mit ihrem Mix aus elektronischen Klängen, Pop-Vibes und lyrischen und tiefen Texten schufen sie ein Erlebnis, das sofort zündete – und das Publikum komplett mitriss. Die Bühne liegt etwas abseits, doch dort entstand ein eigener, intensiver Festivalmoment.
Ebenfalls auf der Atmos Stage: Nasty, die mit ihrem brachialen Hardcore-Sound eigentlich wie gemacht wären für eine größere Fläche – umso überraschender, dass sie in diesem Rahmen spielten. Der Auftritt hatte dadurch fast schon Clubshow-Charakter, was in Kombination mit der unbändigen Energie der Band bestens funktionierte.
Später am Tag ging es auf den Hauptbühnen in die Vollen. Weezer spielten ein Set, das viele Erinnerungen wachrief und sich auf die großen Hits konzentrierte – „Island in the Sun“ und „Buddy Holly“ kamen natürlich nicht zu kurz.
Direkt danach ein persönliches Highlight: A Day to Remember.
Die Band, die für viele den Soundtrack ganzer Jugendjahre geprägt hat, traf mit ihrer Mischung aus Post-Hardcore, Pop-Punk und melodischen Refrains mitten ins Herz. Songs wie «All I Want», «If It Means a Lot to You» oder «The Downfall of Us All» sorgten für kollektive Gänsehautmomente, bei denen Tausende lauthals mitsangen. Es war laut, es war emotional, und es war schlichtweg großartig, diese Band nach längerer Pause wieder live auf einer großen Bühne erleben zu dürfen. Ein Auftritt, der Erinnerungen wachrief und neue schuf – ein Fest.
Emotion trifft Haltung: Zwischen Gänsehaut, Gitarrenwänden und klaren Botschaften
Feine Sahne Fischfilet hielten die Energie nahtlos hoch. Mit ihrem unverkennbaren Mix aus politischer Haltung, Punk-Attitüde und ehrlicher Nähe zum Publikum entfachte die Band auf der Mandora Stage ein kraftvolles Set, das nicht nur zum Tanzen, sondern auch zum Nachdenken einlud. Sänger Jan „Monchi“ Gorkow schaffte es, ernste Botschaften mit Festival-Euphorie zu verbinden – ein Drahtseilakt, der Feine Sahne wie kaum einer anderen Band gelingt.
Danach übernahmen Biffy Clyro: Ihr Set wirkte bis ins Detail ausgefeilt, gleichzeitig aber niemals steril oder distanziert. Die emotional aufgeladene Performance, unterstützt von perfekt abgestimmtem Lichtdesign, machte deutlich, warum Biffy Clyro regelmäßig als Headliner auf internationalen Festivals gebucht wird. Besonders die ruhigeren Songs wie «Machines» oder «Biblical» gaben dem Set Tiefe und sorgten für ein Innehalten im allgemeinen Trubel.
Der späte Abend brachte dann ein spannendes Kontrastprogramm mit sich:
Während Olli Schulz & Band mit musikalischem Storytelling, lakonischem Humor und viel Charme ein Publikum zum Lachen und Nachdenken brachte, zündeten The Prodigy auf der anderen Bühne ein brachiales Elektro-Feuerwerk. Mit wummernden Bässen, stroboskopischen Lichtsalven und Tracks wie «Breathe» und «Firestarter» verwandelten sie das Infield der Utopia Stage in einen gigantischen Dancefloor – ein audiovisuelles Spektakel, das Körper und Sinne gleichermaßen forderte. Zwei völlig unterschiedliche Shows, aber jede auf ihre Art ein Volltreffer.
Ein Knall für 2026: Der erste Headliner fürs nächste Jahr
Direkt vor dem Auftritt von Bring Me the Horizon, gab es ein ganz besonderes Highlight: Die erste Headliner-Ankündigung für 2026. Als auf den Screens erste Bilder erschienen, war schnell klar, worauf es hinauslief. Spätestens beim ikonischen Logo von Linkin Park gab es kein Halten mehr – das Publikum jubelte, und ein letzter Feuerwerksknall setzte den Schlusspunkt unter diese mit Spannung erwartete Enthüllung. Ein starker Moment, der die Vorfreude auf das kommende Jahr deutlich spürbar machte.
Finale mit Wucht: Zwischen emotionaler Welle und totalem Abriss
Um 23:15 Uhr war es Zeit für den Headliner des Tages: Bring Me the Horizon. Was folgte, war eine fast zweistündige Show, die alles bot, was man sich von einem modernen Festival-Headliner nur wünschen kann: knallharte Breakdowns, hymnische Refrains, aufwändige Visuals, Pyro-Effekte und ein starker Spannungsbogen im Set. Sänger Oliver Sykes präsentierte sich emotional wie selten zuvor zwischen Eskalation und Introspektion, mit Songs, die von Chaos, Schmerz und Hoffnung handeln. Das Publikum war von der ersten bis zur letzten Minute voll dabei – ein Slot, der ohne Zweifel zu den ganz großen Highlights des Wochenendes zählte und für mich eine der besten Bühnenshows darstellt, die ich seit langer Zeit gesehen habe!
Zum Abschluss des Tages übernahmen K.I.Z. die Late-Night-Bühne – und drehten, wie gewohnt, alles auf Anschlag. Mit brachialem Humor, gesellschaftskritischen Spitzen und einer hemmungslos überdrehten Bühnenshow sorgte das Berliner Rap-Kollektiv für einen letzten kollektiven Abriss. Klassiker wie «Hurra, die Welt geht unter» oder «Ein Affe und ein Pferd» verwandelten das Infield in eine tanzende, gröhlende Masse. Genau die richtige Mischung aus Irrsinn und Energie, um diesen langen, intensiven ersten Festivaltag ausklingen zu lassen.
Ausblick auf den Samstag
Nach diesem energiegeladenen Auftakt geht es am Samstag nahtlos weiter – das Wetter soll stabil bleiben, mit maximal ein wenig Nieselregen und milden Temperaturen. Und das Line-up? Lässt kaum Wünsche offen. Besonders freuen wir uns morgen auf Namen wie Slipknot, Rise Against, In Flames, Heaven Shall Burn, aber auch auf Genre-Grenzgänger wie Kontra K und SDP, die mit ihren Shows ganz eigene Akzente setzen dürften.
Auf wen freut ihr euch am meisten?