Es ist 2023 und wir haben ein Interview mit der quasi Hausband Destination Anywhere auf dem Pell-Mell Festival. Hätte man uns das vor vier Jahren so erzählt, hätten wir wahrscheinlich eher geglaubt, dass Blink-182 nochmal mit Tom DeLonge durchstarten, oder Linkin Park neue Songs droppen – oh. Mit frischem Album und einer ordentlichen Portion an Gigs macht nun also auch 2023 die Ska Kapelle Nr. 1 aus dem Siegerland Clubs und Festivals unsicher. Um da mal kurz inne zu halten, nahmen wir die Jungs für ein kurzes Gespräch beiseite.
moshed.net: Letztes Jahr habt ihr recht spontan eure neue Single angekündigt und das darauffolgende Album kam im Mai – was passierte dazwischen? Also zwischen der Pause und der Single?
David | Destination Anywhere: Wir hatten wahnsinniges Glück, wir haben uns ja 2019 verabschiedet und wir haben uns wirklich perfekt vier, fünf Monate vor Corona verabschiedet und mussten diesen ganzen Kram mit Autokonzerten, Sitzkonzerten und diese Livestreams nicht mitmachen und konnten alles ganz entspannt aus der Ferne beobachten. Und dann haben wir uns ziemlich genau ein Jahr nach der Abschiedstournee in einer Hütte getroffen, einfach um uns wiederzusehen. Wir haben dann auch relativ schnell gemerkt, dass wir eigentlich noch alle Bock haben, und da Corona ist, erwartet auch niemand was von uns. Unsere Pause ging also ziemlich genau ein Jahr, bis wir Ende 2020 wieder angefangen haben, Songs zu schreiben.
moshed.net: Was war der erste Song, den ihr in dieser Zeit geschrieben habt?
David | Destination Anywhere: Bassdrum, glaube ich. Den haben wir ziemlich abgefeiert. Das ist ein Song, der schon 2018 geschrieben wurde. Da kam gerade frisch Bomben (2018) raus und wenige Wochen später gab es diesen Song, der auf dem Handy so eingesummt wurde. Der war das einzige Überbleibsel aus der alten Epoche da irgendwie, wo klar war, dass der Song so perfekt auf eine neue Platte passt, da er ziemlich geil ist. Wir haben auch von Anfang an gesagt, wir kommen nur zurück, wenn wir auch ein neues Album rausbringen. Wir wollten auf keinen Fall sagen, dass wir nach der Abschiedstour ein paar Dates spielen und dann sind wir wieder weg. So Bands gibt es ja auch.
moshed.net: Spätestens heute, wenn nicht im Mai, bei den drei ausverkauften Shows hat man wahrscheinlich gemerkt: Nachfrage ist da!
David | Destination Anywhere: Und auch bei den neuen Songs, ist ja nicht selbstverständlich. Aber es haben bei den Shows echt viele Leute da mitgesungen. Das ist schon sehr schön zu sehen.
moshed.net: Wieso war denn bei den neuen Songs in der Setlist ausgerechnet die absolute Hymne Es geht mir gut mit Bläsern nicht dabei?!
David | Destination Anywhere: Also wir haben den geprobt tatsächlich, der war in der engeren Auswahl. Problem ist nur, dass wenn wir den live spielen, dann ist der nicht so voll. Wir könnten den nicht so aufführen, wie wir ihn aufführen müssten in der Besetzung, in der wir gerade sind. Naja, wir haben ja genug andere Songs.
moshed.net: Gerade dieser Song behandelt ja auch viele andere Künstler und das ist so der Kern über den ich gerne mit euch reden möchte: Idole – habt ihr welche? Wie inspirieren diese euch?
David | Destination Anywhere: Eine große Inspiration bei den Songs selber sind natürlich Blink-182. Die brachten so ziemlich alles ins Rollen. Und also beim Song Es geht mir gut mit Bläsern sind das ja eher so Referenzen in alle möglichen Richtungen. Aber zum Beispiel beim Song Sonne auf dem neuen Album sind die Strophen alles Singbausteine von anderen Songs. „Ich hab in die Sonne gestarrt, dabei hatte ich irgendwas im Auge“ beziehen sich auf Staring At the sun und Sticking in my eye von The Offspring bzw. NOFX. Dieser Song beinhaltet halt so 30 verschiedene Künstler, die den Ton und den Text von Destination Anywhere geprägt haben.
moshed.net: Gibt es Künstler, die euch in der aktuellen Zeit begeistern mit ihrem Engagement? Außer jetzt vielleicht Electric Callboy?
David | Destination Anywhere: Ich finde es total irre, die haben meinem Gefühl nach fünf Schufen irgendwie übersprungen. Wir haben die vor zwölf Jahren im Stairway in Walmenroth gebucht. Da waren 50 Leute. Und jetzt verkaufen die die Lanxess Arena aus mit 70 Euro pro Karte. Also das finde ich komplett irre, was bei denen los ist. Die höre ich ganz gerne. Die gehen auf die Bühne und jeder Schritt ist ja quasi wie beim Backstreet Boys einstudiert, nur halt mit krassen E-Gitarren dabei. Ich liebe die Backstreet Boys, also das ist jetzt keine Beleidigung! Ich persönlich bediene mich überall, also nicht nur bei Punk und Metal, sondern auch im Hip-Hop-Bereich, der ja auch mittlerweile verfließt. Zum Beispiel Ren. Dieser krasse Akustik-Gitarren-Rapper, der hat so einen 8-Minuten-Song gemacht mit dem Titel Hi Ren. Alle zwei bis drei Monate gibt es einen Song, der mich komplett aus den Socken haut und wo ich auch sage „Ey krass, ich muss auch nochmal Musik machen“. Und was ich an dem auch sehr interessant finde, ist, dass der halt wie Yungblud mit Mental-Health-Problemen nicht mehr hinterm Berg bleibt, sondern ganz offen umgehen und das natürlich auch als Produkt dann verkaufen. Aber das ist ja ein ganz anderer Ansatz als vor 20 Jahren. Da hat ja niemand über Depressionen gesungen. Schon gar nicht beim Pop-Punk, den ich damals gehört habe.
moshed.net: Gibt es in eurer Diskographie denn einen Song, bei dem ihr euch wundert, wieso dieser eine Song, den ihr wirklich abfeiert, bei den Hörern vielleicht nicht so gut ankommt wie andere?
David | Destination Anywhere: Also bei mir ist es eher andersrum, dass ich immer sehr dankbar dafür bin, dass so viele Leute unsere Songs feiern. Und ich würde auch nie denken, die Leute sollten mehr diesen einen Song hören, weil das ist ja die Entscheidung der Fans/Hörer ist. Also ein Song, der mir persönlich viel bedeutet auf dem neuen Album, ist halt Stark sein, so der Rausschmeißer, weil ich da auch mal mich so ein bisschen aufgemacht habe. Das ist aber für mich absolut okay, dass das jetzt nicht die große Single ist, die die meiste Aufmerksamkeit bekommt, weil so ein Song ist es einfach nicht. Der Song ist für mich persönlich ein bisschen wie eben Hi Ren, wo ich denke „Krass, da sing ich jetzt nicht irgendeinen Quatsch, sondern das ist genau das, was ich fühle“ und was auch mentale Ungesundheit mal einfängt. Einfach für mich ein sehr persönlicher Song, den ich sehr mag.
moshed.net: Ihr spielt jetzt im Oktober eure nächste Tour quer durch Deutschland, aber wie geht es danach für euch weiter?
David | Destination Anywhere: Wir wollen es nicht an die große Glocke hängen, weil wir wollen nicht schon wieder eine Abschiedstour machen. Aber es ist genauso wie 2019, dass wir noch nicht genau wissen, wie es weitergeht. Ich werde 2024 ein halbes Jahr im Ausland sein. Das heißt 2024 ist quasi Pause. Ich komme im August wieder und dann noch in die Saison starten, ist ein bisschen spät. Wenn wir Bock haben, setzen wir uns nochmal hin und machen das alles nochmal. Auf der anderen Seite, wir verdienen alle kein Geld mit der Band. Das geht alles in die Band zurück, was wir kriegen. Wir haben alle Jobs. Mittlerweile haben fast alle eine Familie mit Kindern. Viele haben Häuser und so weiter. Und wir sind sieben Bandmitglieder. Und sieben Bandmitglieder für diese Ochserei, die wir hier machen, zusammen zu bekommen, das ist organisatorisch absolut grenzwertig. Die Konzerte, die wir dieses Jahr gespielt haben, waren so das absolute Maximum, was wir hinbekommen. Und auch ich bin heute von der Arbeit sofort hier hingefahren und war fünf Minuten vor dem Soundcheck hier. Das ist einfach so, wenn man als Band nicht davon leben kann. Ich würde es mir extrem wünschen, dass das nicht unsere letzten Konzerte sind, aber ich würde es auch niemandem versprechen, dass das nicht unsere letzten Konzerte sind, weil so realistisch muss man sein. Wir wissen nicht, wie es in einem Jahr aussieht.
moshed.net: Also man sieht es ja an euren Shows, die sich gut verkaufen: Solltet ihr nochmal eine Tour auf die Beine stellen, ist die Nachfrage sicherlich da.
David | Destination Anywhere: Verrückterweise sind unsere Spotify-Stream durch die Decke gegangen. Also je länger wir weg waren, desto mehr Streams hatten wir. Und ich dachte „Ey, anscheinend gibt es ja doch noch irgendwelche Leute, die noch Bock auf uns haben“. Das wäre auch gelogen, wenn wir sagen, wir machen das alles für uns. Natürlich machen wir das, weil wir Bock auf sowas wie heute haben. Ich bin gespannt. Also auf der einen Seite, ich hoffe sehr, dass wir zurückkommen. Auf der anderen Seite, kauft euch alle Tickets für die Tour. Es könnte die letzte sein. Und noch gibt es Tickets! *lacht*
Wir bedanken uns für dieses spannende Gespräch und sehen uns hoffentlich auf der Herbsttour, anbei die Daten:
30.09. Koblenz Circus Maximus
02.10. Oberhausen Druckluft
05.10. Frankfurt aM Ponyhof
06.10. Köln Tsunami
07.10. Hamburg Astra Stube
13.10. Hannover Bei Chez Heinz
14.10. Siegen Vortex Surfer Musikclub
Fotocredit: Held Art Photography