Besser als mit einem Seeed-Zitat („Dancehall Caballeros“) selbst lässt sich der phänomenale Samstagabend gar nicht zusammenfassen. Denn die Berliner Musikgruppe Seeed ist nach wie vor einer der ganz großen Acts Deutschlands. Dies lässt sich nicht nur an den fünf zusätzlichen Shows ihrer aktuellen „Live“-Tour erkennen, sondern auch am unterschiedlichen Publikum, von jung bis alt, welches bei eben einer dieser Zusatzshows am Samstag in Hamburg begeistert wird. Dabei hat Seeed zum dritten Mal in zwei Monaten locker, flockig die Barclaycard Arena mit 16.000 Karten ausverkauft und sein Publikum absolut verzaubert.
Eröffnet wird das Bühnenspektakel von Ricky Dietz, eigentlich das dieses Jahr gegründete Duo von dem kanadischen Sänger Sway Clarke und Peter Fox. Heute steht Sway Clarke zwar ohne Peter Fox auf der Bühne, ist aber dennoch nicht allein. Begleitet wird er von DJ, Schlagzeug und Gitarre sowie zwei atemberaubend guten Tänzern. Der Reggae-Sound lässt schon mal die Hüften warm kreisen und die beiden Tänzer machen definitiv was fürs Auge her.
Um kurz nach 21 Uhr beginnen die zehn Musiker mit ihren zwei Singles „Ticket“ und „Lass sie gehen“ des aktuellen Albums „Bam Bam“. Seines Zeichens das fünfte Studioalbum nach sieben langen Jahren, welches nicht Bäm Bäm oder Boom Boom heißt, wie Peter Fox zwischenzeitlich betont. Falls immer noch Fragen offengeblieben sind, gibt es den Titel noch einmal zum Nachlesen in großen, neonfarbenen Lettern als Teil des Bühnenbildes. Dieses soll später szenisch passend zu „Lass das Licht an“ mit Unterstützung von Deichkinds Porky enthüllt werden. Flankiert wird das Bühnenbild dann von überdimensionalen Bildschirmen, die Boxentürme nachahmen. Aber keine Sorge, die Jungs werden auch den realen Bass mehrfach testen und wir können Euch sagen: der funktioniert ausgezeichnet!
Doch erst einmal fordern die Frontmänner Frank Dellé und Peter Fox mit ihrer achtköpfigen Band, verstärkt durch drei Backgroundsängern/tänzern und einem Saxophonisten, die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Denn alles, was man sich im Vorhinein so ausgemalt hat bezüglich des typischen Seeed-Sounds, Tanzchoreographien und Publikumsinteraktionen schütteln die Berliner ganz federleicht aus dem Ärmel. Peter Fox zeigt den Hamburgern bei mühelos wirkenden Tanzschritten die Zunge, während sich das ganze Kollektiv in großer Spielfreude über die Bühne swingt. Spätestens ab dem dritten Song, der Adaption von Blacks „Wonderful Life“ hält es niemanden mehr auf den Rängen. Die Kombination irgendwo zwischen Dancehall und Reggae gepaart mit tiefen Bassserien, umgesetzt von einer Band in Bestform, ist unschlagbar und kreiert ein einzigartiges, energiegeladenes Gefühl, wie es nicht vielen Künstlern gelingt. Das Ensemble spielt sich in einen schieren Rausch, indem sie einen Hit nach dem anderen raushauen, sodass niemand mehr auch nur ansatzweise auf die Idee kommt sich wieder hinzusetzen; die erste halbe Stunde wird ohne Halten Abriss gefeiert. Erst „Komm in mein Haus“, ebenfalls vom neuen Album, wie insgesamt ein Drittel der Songs, gibt mit etwas entspannteren und langsameren Tönen die Möglichkeit durchzuatmen.
Wenngleich man noch nicht alle neuen Lieder zur Gänze mitsingen kann, macht der groovige, rhythmische Sound es einfach sich von der Musik tragen zu lassen und tanzend seinen Alltag zu vergessen. Dies ist ein entscheidender Vorteil im Vergleich zu anderen Bands, die sich mit neuen Songs in Form von Comeback-Alben durchaus schwerer tun können. Falls sich jemand mit eigenen Tanzmoves schwertut, kann er sich an den herausragenden Backgroundsängern/tänzern erfreuen, die ihr Können zum Besten geben, sodass einem Hören und Sehen vergehen können.
In der zweiten Hälfte finden sowohl das HipHop angehauchte „Sie ist geladen“ mit Einspielern von Nura als auch drei Songs von Peter Fox’ Soloprojekt aus dem Jahre 2008 wie auch eine emotionale Widmung „You and I“ an den verstorbenen Frontmann und Gründungsmitglied Demba Nabé mit wirkungsvoller Spot-Lichttechnik ihren gleichberechtigten Platz. Untermalt werden die Tracks mit verschiedenen Soli als auch innovativen Samples und Übergängen. Dabei halten sich Seeed nicht lange mit umständlichen Ansagen auf, sondern ziehen ihr abendfüllendes Programm Schlag auf Schlag durch. Dieses hält im Endspurt inklusive Zugabe Hits wie „Music Monks“, „Ding“ oder „Dickes B“ geremixed mit Justin Timberlakes‘ „Sexy Back“ bereit und bringt so die Partystimmung noch einmal zum Eskalieren.
In sehr kurzweiligen eindreiviertel Stunden halten Seeed die Stimmung auf einem konstant hohen Niveau und sorgen spielerisch für mehr Highlights als sie hier zu beschreiben wären. Dabei wird das Publikum vorbehaltlos glücklich gemacht und die Barclaycard Arena zur größten Partylocation in Hamburg verwandelt. Einfach fantastisch!
Fotocredit: Erik Weiss