Deaf Havana gehen auf ihrem neuen Album Rituals poppige Wege. Die Alternative Rock Band aus Norfolk präsentiert 13 eingängige Indiepop-Songs, die eine breite Hörerschaft ansprechen werden. Trotzdem muss sich die Band natürlich gefallen lassen, dass sie ihren Stil doch deutlich geändert hat. Wir haben direkt bei Sänger James Veck-Gilodi nachgefragt, was es mit den religiösen Metaphern auf sich hat, wie der Entstehungsprozess der Platte war und was seine Bandkollegen vom neuen Sound halten.

Gringoz: Ganz offensichtlich verwendest du für die Songtitel des neuen Albums ein religiöses Vokabular. Wie kam es dazu? Würdest du Rituals als Konzeptalbum bezeichnen?

James: In gewisser Art und Weise ist es ein Konzeptalbum, ja. Die Ereignisse, die ich beschreibe, sind teilweise wahr, aber definitiv irgendwie ausgearbeitet. Ich denke, ich sehe diese Platte als meine Art von katholischer Beichte, die du bei einem Priester im Beichtstuhl ablegst. Doch, in vielerlei Hinsicht ist es ein Konzeptalbum.

Gringoz:  Die Songs selbst erwecken nicht den Eindruck, als wärst du eine besonders religiöse Person. Nutzt du die biblischen Metaphern als ironische Symbole oder präsentierst du dich vielleicht sogar selbst auf eine Art als Märtyrer?

James: Da liegst du ganz eindeutig richtig, genau das wollte ich damit bezwecken. Ich war immer von der Idee besessen, was Menschen als Sünde sehen und ich wollte mit diesem Gedanken spielen und mich als den ultimativen Sünder darstellen.

Gringoz:  Du spielst mit poppigen Sounds, die meistens in totaler Antithese zu den düsteren und selbstreflektierenden Lyrics stehen. Ist das deine Art, deine Gefühle vor einem großen Publikum offenzulegen?

James: Absolut! Ich fand es, glaube ich, immer ziemlich beruhigend über solche privaten Dinge zu singen. Es ist ein sehr kathartischer Prozess.

Gringoz:  War es schwer, deine Bandkollegen von dem neuen Sound zu überzeugen oder waren sie gleich von den ersten Demos begeistert?

James: Haha, ich glaube, am Anfang waren sie alle ziemlich geschockt. Ich kann mich erinnern, dass Matthew sagte „wir können diesen Song nicht verwenden, verkauf ihn einfach an jemand anderen!“ aber  nachdem sie sich alles so circa eine Woche angehört hatten, waren sie doch recht schnell vom neuen Sound überzeugt, Letztendlich hören alle doch mehr Pop- als Rockmusik und es gefällt ihnen, poppige Musik zu hören. Ich denke, es war nur am Anfang ein Schock für sie.

Gringoz:  Rituals ist so gut produziert, es macht wirklich Spaß, sich das Album immer und immer wieder anzuhören. Wie ging der Produktionsprozess vonstatten?

James: Es hat echt Spaß gemacht, zwischen dem Produzenten Phil Gornell und mir war die Stimmung sehr relaxed und easy going. Der Entstehungsprozess war total neu für mich, weil ich normalerweise die Songs alleine schreibe, auf einer Akustikgitarre und dann zu kompletten Songs arrangiere. Diesmal hingegen haben wir viel Aufnahmesoftware verwendet und viele Songs um coole Soundsamples oder Drum Loops herumgebastelt. Im Großen und Ganzen hat es wirklich gebockt.

Gringoz:   Du sprichst viel über toxische und unehrliche Beziehungen und solche, die kurz vorm Zerbrechen sind. Ist das etwas, das du kürzlich selbst erlebt hast?

James: Nicht kürzlich, aber ich habe diese Dinge erlebt, wie so ziemlich jeder von uns. Das Album bezieht sich auf Dinge, die ich im Zeitraum der letzten zehn Jahre oder so erlebt habe.

Gringoz: Besonders Sinner und Ritual sind Songs, in denen du dich zwar für dein Verhalten entschuldigst, aber auch nichts daran ändern willst. Also ist das etwas, mit dem das lyrische „Du“ sich einfach abfinden muss? Machst du es dir mit dieser „Friss oder Stirb“- Mentalität nicht etwas zu einfach? 

James: Ich denke, es ist ziemlich selbstironisch, wie immer, aber ja, haha, du hast schon Recht, es ist schon recht einfach gedacht. Ich habe das Gefühl, ich verwende viel Zeit darauf, mich für mein verhalten zu entschuldigen, lerne aber nie wirklich aus meinen Fehlern.

Gringoz:  Wie werdet ihr den alten und den neuen Sound live verbinden? Da besteht ja schon ein großer Unterschied.

James: Wir werden einfach versuchen, einen guten Mix aus alten und neuen Sachen abzuliefern. Wir haben für ein paar Songs aufgerüstet, von den Instrumenten her. Zum Beispiel benutze ich bei Hell und Holy ein Sample Pad, Matthew und Pad spielen bei ein paar Songs auch Synthies. Es macht eine Menge Spaß, mit neuen Sounds herumzuspielen.

Live könnt ihr Deaf Havana übrigens bald auch in Deutschland zusammen mit Nothing but Thieves sehen:

05.11. 2018- Hannover, Capitol

06.11. 2018 – Berlin, Astra

09.11. 2018 – München, Neue Theaterfabrik

13.11. 2018 – Köln, Live Music Hall (ausverkauft!)

Das Interview wurde geführt von Désirée Pezzetta
Fotocredit: Jaime Martinez