Underoath standen jahrelang für christlichen Metalcore. Das ist allerdings schon seit einiger Zeit nicht mehr so, da sich nicht alle Bandmitglieder noch dem religiösen Christentum zugehörig fühlen. Wir haben uns mit dem Keyboarder Chris getroffen und uns unter anderem auch darüber unterhalten, wie er es mit der Religion hält.
Gringoz: Hallo, stell dich doch erstmal kurz vor
Chris: Hi, mein Name ist Chris und ich spiele Keyboards bei Underoath
Gringoz: Als ich von eurem neuen Album erfahren habe, habe ich ein weiteres perfekt produziertes und musikalisch herausragendes Album erwartet, mit Texten, die nicht anecken. Ich war dann sehr überrascht, als ich mir die Lyrics durchgelesen habe und dachte mir, da geht jemand durch eine schwere Trennung nach einer toxischen Beziehung, bis mir auffiel: Das ist die Beziehung zu Gott. Mich hat das gefreut, weil ich immer das Gefühl hatte, ihr beschneidet euch durch diese Überkorrektheit und die Religion selbst.
Chris: Das ist interessant, weil die Texte 100% Aaron und Spencer sind, aber es gibt einen Haufen Parallelen auch zu uns anderen. Wir als Ganzes hatten schon immer einen Filter darauf, was wir sagen wollten und wie wir uns dann damit wohlfühlten, es auszudrücken, weil wir eben als christliche Band gelabelt wurden. Wir haben schon eine Menge der Dinge früher gesagt, aber halt durch die Blume. Als wir anfingen, die Musik für dieses Album zu schreiben, hatte ich eine Unterhaltung mit Spencer und er sagte zu mir: „wenn das das letzte Stück Kunst ist, das ich der Welt gebe, dann möchte ich sicher sein, alles gesagt zu haben, was ich sagen wollte“. Wir sind zwar keine christliche Band mehr, aber wir sind privat an verschiedenen Punkten in unserem Leben und unserem Glauben. Spencer und ich haben darüber gesprochen, weil ich mich immer noch als Christen bezeichnen würde und er nicht, aber das hat nichts an unserer Beziehung geändert. Er wollte einfach abklären, dass er sagen kann, was er sagen will, ohne mir vor den Kopf zu stoßen. Aber weißt du, das Wichtigste ist doch, dass man ehrlich ist und wenn er sich zurückhält und nur die Hälfte rauslässt, dann macht das doch keinen Sinn.
Gringoz: Das wäre auch meine nächste Frage gewesen, ob ihr alle euren Glauben verloren habt?
Chris: Wir sind alle erwachsen geworden bezüglich unseres Glaubens. Keiner von uns ist mehr der, der er vor 10 Jahren war. Wir haben viel erlebt und viel gesehen, aber das ist eben für jedes Bandmitglied anders. Wir respektieren uns trotzdem alle gegenseitig. Seit 2011 sind wir ja auch keine christliche Metalcore Band mehr, aber irgendwie machen alle jetzt erst ein Fass deswegen auf. Das ist halt immer noch in den Köpfen der Menschen und wir haben uns ja auch so identifiziert, bis es eben nicht mehr so war und in diesem Moment haben wir das aber auch sofort weggelassen.
Gringoz: Wie waren denn die Reaktionen eurer Fans auf diesen Wandel? Ihr hattet ja bestimmt auch so hardcore Christen-Fans.
Chris: Das war auch sehr individuell. Manche waren super verständnisvoll, manche richtig sauer. Aber die Leute haben schon gemerkt, dass wir immer noch Dieselben sind und eben das sagen und tun, was richtig für uns ist. Es macht ja auch keinen Sinn unehrlich zu sein und als christliche Band weiterzumachen, wenn man es nicht mehr ist.
Gringoz: Wie steht es denn um die Identität der Band- ihr hattet ja einige Besetzungswechsel in eurer langen Karriere.
Chris: Ich habe mit 16 angefangen bei Underoath zu spielen, während der Highschool, als uns noch keiner kannte und keiner zu unseren Auftritten kam. Die meisten kennen uns eh erst nach 2004 und seitdem ist es auch genau dieses Line Up. Wenn man auf Wikipedia schaut, sieht man natürlich ne Menge Leute, aber das war ja nur Spielerei. In den letzten 15 Jahren hatten wir einen Wechsel. Wir identifizieren uns alle 100% mit Underoath als Band und nicht als Marke.
Gringoz: Ihr habt acht Jahre für das neue Album gebraucht. Hattest du Angst, dass das euer persönliches Chinese Democracy wird?
Chris: Nein, wir haben ja 2010 das vorletzte Album rausgebracht, dann waren wir auf Tour und dann haben wir uns erstmal aufgelöst. Als wird dann wieder zusammenkamen, haben wir ca. ein Jahr an dem Album gearbeitet und das ist ja gar nicht so lange und schon gar kein Chinese Democracy *lacht*.
Gringoz: Wie lief der Entstehungsprozess des Albums ab? Habt ihr alle Songs vorab fertig oder schließt ihr euch eine Weile im Studio ein und klabüstert dort alles aus?
Chris: Also da wir uns ja vorher ein paar Jahre lang aufgelöst hatten, war es bei diesem Album so, dass wir alle individuell Musik geschrieben und dieses Material zusammengeschmissen haben. Wir haben uns dann zwei Monate im Studio eingeschlossen und davon haben wir einen Monat an Material gearbeitet und einen Monat aufgenommen.
Gringoz: Welcher Charakter aus der Bibel wärst du gerne
Chris: Ohje… Klingt komisch, aber ich glaube, ich wäre gerne Hiob. Also nicht, dass ich das, was er alles durchgemacht hat, erleben möchte, aber am Ende seines Leidens hatte er bestimmt eine Vorstellung davon, wer Gott ist, die sonst keiner hat. Das würde ich auch gerne, aber ich könnte das wohl nur, wenn ich ebenfalls all das durchmachen müsste. Also ja, Hiob, wobei ich das direkt bereuen würde *lacht*.
Gringoz: Welcher Simpsons Charakter wärst du gerne?
Chris: Apu! Er genießt sein Leben, hat ein florierendes Geschäft und kann all diese Squishies gratis trinken!
Gringoz: Gibt es etwas, was du am Touren in Europa lieber magst, als in den USA?
Chris: Wir machen oft dieses Festivals in Europa und das ist toll, weil wir vor vielen coolen Leuten spielen dürfen und befreundete Bands treffen. Aber auch, dass wir durch die Vielfalt auf solchen Festivals Bands sehen, die wir sonst niemals auf demselben Event treffen würden. Justice oder The Prodigy, das ist echt super. Gestern war es Marylin Manson und Volbeat und das macht Spaß. Ich werde dafür bezahlt, mir tolle Bands anzuschauen, ich kann mich nicht beklagen!
Gringoz: Kommt bald eine Headliner Tour in Europa?
Chris: Wir hoffen, nächstes Jahr zurückzukommen. Wir spielen ein paar Shows im UK, aber für den Rest Europas ist noch nichts geplant.
Gringoz: Vielen Dank für das Interview!
Chris: Kein Problem, ich habe zu danken!
Das Interview wurde geführt von Désirée Pezzetta
Fotocredits: Niici Photography